Mut zur Haltung

In seiner letzten Rede als Bundespräsident, am 18.01.2017, sprach Joachim Gauck auch davon, dass das was zähle nicht die Herkunft sei, „sondern die Haltung“. Seither wird auch in der Politik vermehrt darüber geredet, wie wichtig es sei, eine Haltung zu haben. Und am besten „die Richtige“.

 

Doch: Was ist Haltung?

 

Schaut man auf die körperliche Perspektive ist es einfach: eine Haltung zu haben lässt sich hier leichter in gut oder schlecht einteilen. Gut für die Gesundheit/ den Körper oder eben nicht; und sie lässt sich leicht erkennen.

 

Und wie ist das mit der inneren Haltung?

 

Eine Haltung zu haben zeugt von innerer Stärke – und diese zeigt und bewährt sich besonders in kritischen Situationen.

 

  1. Eine Haltung gibt Halt und unterscheidet sie daher auch von einer bloßen Einstellung. Diese zeigt nur: wie ist die "Stellung" zu etwas oder jemandem, welche Meinung hat man sich gebildet. Im Unterschied dazu zeigt sich eine Haltung auch darin, bestimmte Einstellungen abzulehnen und wohlmöglich zu bekämpfen.

 

Denn eine Einstellung kann ausgrenzen – eine Haltung ist mit den Werten des „Wir“ vereinbar; d.h., sie darf anderen nicht schaden, darf nicht dogmatisch sein.

 

Haltung unterscheidet das Verstehen vom Akzeptieren.

 

Ich kann jemanden in seinem entgegengesetzten Denken und Handeln verstehen und kann es trotzdem als nicht akzeptabel empfinden. Ich kann verstehen, dass die Kollegin die Aufgabe aus Bequemlichkeit wieder abgelehnt hat, muss es aber nicht akzeptieren. Daher:

 

Haltung trennt die Sache von der Person.

 

Eine Haltung zeigt sich im Tun. Es ist eine Grundorientierung, die sich gerade in kritischen Situationen erkennen lässt. Denn gerade dann, wenn nicht auf kognitive Erklärungsmuster, auf gedanklich Umwege,

die richtig oder falsch filtern, zurückgegriffen werden kann, dann wird Haltung sichtbar. Dann zeigen sich Handlungen die authentisch sind, zeigen sich Reaktionsweisen einer Person die An-Halt(s)-Punkte geben, zeigen sich innere Werte, für die sich der Einsatz lohnt.

 

Auf der Basis von Haltung zu handeln kann somit auch die Komplexität von Situationen reduzieren. Denn dann muss nicht im Detail verstanden werden worum es gerade geht, sondern es wird aus Überzeugung „für etwas“ gehandelt: Eine Haltung zu haben und zu zeigen ist damit eine Positionierung nach innen und nach außen.

 

Und doch kann es schwer, ja fast unmöglich sein, eine Haltung „durchzuhalten“. Es ist die Herausforderung der Wirklichkeitsbezogenheit: Sie mögen einen vertrauensvollen Umgang mit Ihrer Kollegin pflegen. Doch wenn Ihr Vertrauen immer wieder enttäuscht wird, dann müssten Sie mal auf Kontrolle setzten. Wer seine eigene Haltung ernst nimmt, muss immer mal wieder darum kämpfen. Und das erfordert die immer wieder neue Auseinandersetzung mit der Realität - Selbstüberprüfung.

 

Eine Haltung zu haben, bedeutet damit auch etwas Echtes zu haben – es kann keine Imitation von etwas sein. Haltung involviert einen bestimmten inneren Stil, der sich im Miteinander bewähren und der Selbstreflexion offen gegenüberstehen muss.

 

Denn auch die achtbarste Haltung sollte nicht erstarren, sondern für Veränderungen offen bleiben.

 

Welche Kriterien sprechen für eine Haltung? Mit diesen Fragen können Sie Ihre Haltung überprüfen:  

 

  1. Wie konsequent zeige ich das was mir wichtig ist? Zeige ich Haltung? Wodurch?
  2. Wie stabil ist diese, meine Haltung in kritischen Situationen? Gehe ich Kompromisse ein? Unter welchen Bedingungen?
  3. Wie kompatibel ist meine Haltung mit einem konstruktiven Miteinander? Wie gradlinig und ehrlich anderen gegenüber?
  4. Wie anpassungsfähig bin ich mit meiner Haltung? Kann ich Verstehen von Akzeptieren unterscheiden?
  5. Wie selbstreflexiv bin ich in meinem Denken, Fühlen, Handeln? Kann ich einen „roten Haltungsfaden“ erkennen, der sich durch meine jüngere Biografie zieht? 

 

Übrigens: Bereits Sokrates machte es schon vor. Bis zu seinem Tod 399 v. Chr. praktizierte er eine offene, kritisch-annehmende und doch radikal-wahrhaftige Haltung. Sie ist heute als „Sokratischer Dialog“, als eine der prominenten Techniken in die Gesprächsführung eingegangen*; mit einer solchen Haltung können Menschen - mit unterschiedlichsten Ansichten - in einen konstruktiven Austausch kommen.

 

Mit Haltung werden daher Wege geebnet die ein aufeinander zugehen unterstützen. Wenngleich das Ergebnis dabei offen bleibt – es ist die Haltung die zählt, die Weiterentwicklung ermöglicht.